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Terry Pratchett

Dunkle Halunken

  • Autor:Terry Pratchett
  • Titel: Dunkle Halunken
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Hardcover
  • Verlag:ivi
  • Datum:17 September 2013
  • Preis:19,99 EUR

 
»Dunkle Halunken« von Terry Pratchett


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(3)

 
 
Normalerweise würde ich jeden Satz der mit den Worten „Es ist nie ein Fehler sich den neuen Pratchett zu besorgen“ beginnt, problemlos unterschreiben. In diesem Fall jedoch bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Auch wenn Ivi, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, mit dem Titel Dunkle Halunken (OT: Dodger) vielleicht noch Assoziationen mit Büchern aus der berühmten Scheibenwelt Reihe, die allesamt ähnlich klingen (Steife Prise, Helle Barden, Wahre Helden, Schöne Scheine), wecken will, so hat man es dennoch mit einem eigenständigen und von der Hauptreihe Pratchetts völlig unabhängigen Werk zu tun. Einem Werk, das vermutlich, wenn man sich die Rezensionen englischer Leser anschaut, eher für den englischen als für den deutschen Mark geeignet zu sein scheint. Engländer würden es vermutlich auch nicht besonders unterhaltsam finden, ein Buch wie Arnes Nachlass von Siegfried Lenz zu lesen. Auch wenn in diesem Werk, genau wie bei Dunkle Halunken, viel Lokalkolorit versprüht wird, so wissen es dennoch vermutlich nur die Leser zu schätzen, die für diese spezielle Erzählung (oder Autoren) eine Vorliebe haben. Und in dem vorliegenden Buch von Pratchett, scheinen sich eher die Einheimischen auf der Insel wieder zu finden.

Pratchett befindet sich außerdem mit dem vorliegenden Buch auf einem Charles Dickens Trip. Nicht nur das er den berühmten englischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts in einer Nebenrolle verewigt, vielmehr verpasst er seiner Figur Dodger auch zahlreiche Attribute und Wesenszüge die stark an Oliver Twist, aus der Feder eben jenes Charles Dickens, erinnern. Gewollt oder ungewollt, passt sich Pratchett zudem leider mancher Denkweise Dickens an. Dodgers Freund und Mitbewohner, Salomon Cohen, ist der typische Jude, quasi der antisemitische Stereotyp als der er von den Nationalsozialisten gerne dargestellt wurde. Schlau und verschlagen, geizig und geldgierig, einer der um alles und jedes feilscht. Ähnliche Charaktereigenschaften wie die des jüdischer Protagonisten, dichtete Dickens bereits seinem Fagin aus Oliver Twist an. Sehr zum Ärger mancher damaliger Zeitgenossen.

Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt. Sie ist weder besonders kompliziert, noch irgendwie ansatzweise originell. Des Nachts beobachtet der junge Dodger zwei Männer dabei, wie sie eine junge Lady verprügeln. Nachdem er ihr beigestanden hat, macht er die Bekanntschaft von Charles Dickens und Henry Mayhew, die zufällig Zeugen des Geschehens geworden sind. Dodger verliebt sich in die junge Frau aus adliger Familie, die sich aus Gründen der Verschwiegenheit und des Selbstschutzes einfach nur Simplicity nennt. Es stellt sich heraus, dass ihre Heirat mit einem adligen deutschen Prinzen im Nachhinein von dessen Vater rückgängig gemacht werden soll. Dazu will man Simplicity entführen und beseitigen. In diesen Entführungsversuch platzte dann Dodger. Zusammen mit seinem neuen Freund und Gönner Charles Dickens und der steinreichen und sozial engagierten Angela Burdett-Coutts ersinnt sich Dodger nun einen Plan, der Simplicity aus dem Fokus der ihr nachstellenden Familie rücken soll.

Auch wenn sich das etwas spannend anhört, so ist Dunkle Halunken weder ein fesselndes, noch ein mitreißendes Buch für mich gewesen. Die Redewendung „es plätschert so vor sich hin“ scheint mir die passenste zu sein. Der Kriminalfall bleibt im Hintergrund. Pratchett begnügt sich damit, dass Leben um die Jahrhundertwende zu schildern und benutzt dazu auch viele bekannte zeitgenössische Persönlichkeiten, wie etwa Benjamin Disraeli, Sir Robert Peel, Charles Dickens, Angela Burdett-Coutts oder Joseph Bazalgette. Genau wie Dickens, weist auch Pratchett auf die sozialen Missstände, die Kriminalität und die überall vorzufindende Armut des viktorianischen Zeitalters hin. Im Gegensatz zu Dickens prangert er sie allerdings nicht an. Seine Protagonisten haben sich damit arrangiert und sind eigentlich recht zufrieden. Dodger ist hauptsächlich damit beschäftigt sich neu einzukleiden, nach Münzen in der Kanalisation zu suchen, sich mit Charlie zu treffen oder Gespräche mit Salomon zu führen. Pratchett selber beschreibt sein Buch so: „Dodger ist kein historischer Roman, sondern ein Roman mit historischem Hintergrund, der Spaß machen und wenn möglich ein wenig Interesse an der Ära wecken soll…“

Genau so seicht wie die Handlung, sind auch die Charaktere. Dodger selber ist ein Tosher. Jemand der in der Kanalisation nach Münzen und anderen Fundstücken sucht, die nach dort hinuntergespült wurden. Er ist taff, hilfreich (Brechts guter Mensch von Sezuan könnte sich hier noch eine Scheibe abschneiden), besitzt eine Bauernschläue und weiß sich dadurch in allen Situationen zu helfen. Ihm geht es gut und er kann von seinen Streifzügen durch die Kanalisation gut leben. Ja, er scheint sogar richtig glücklich zu sein. Das ist aber auch schon alles was man über oder von ihm weiß. Genauso im Dunkeln bleibt die Herkunft seines Mentors Salomon Cohen. Er scheint ein richtiger Tausendsassa zu sein der schon viel erlebt hat. Allerdings wird das alles immer nur in ein, zwei Sätzen eingeschoben und wirkt auf Dauer dann auch irgendwie unglaubwürdig. Die Herkunft und der Lebensweg von Simplicity bleibt gänzlich im Dunkeln.

Die Schreibweise ist recht angenehm. Mal abgesehen von etwas eingestreutem Slang und den für mich nicht mehr durchschaubaren Währungsangaben (lt. Pratchett haben selbst die Engländer damit Probleme) liest sich das Buch flüssig weg, ohne jedoch zu fesseln. Dazu ist die Geschichte einfach zu oberflächlich. Das Dunkle Halunken nicht vollends in die Belanglosigkeit abgleitet, liegt ohne Frage an der Erzählkunst Pratchetts. Das hat das Buch mit vielen anderen Werken der Weltliteratur (ohne das Buch mit ihnen auf eine Stufe stellen zu wollen), die zwar handlungsarm und banal, dafür jedoch grandios geschrieben sind, gemein. Was ich jedoch schmerzlich vermisst habe und was für mich zu einem Pratchett einfach dazugehört, ist sein Humor und sein Wortwitz. Pratchetts selbst ernanntes Ziel Spaß zu versprühen ist gründlich in die Hose gegangen.

Dunkle Halunken ist zwar nett zu lesen, aber für mich maximal nur Durchschnittsware, da mir irgendwie der Zugang zu dem Werk gefehlt hat. Das gänzlich überzeichnete Ende ala Hollywood (vom Tellerwäscher zum Millionär) ist der Gesamtgeschichte nicht gerade zuträglich. Wie übrigens auch der löchrige, von Dodger selbst ersinnte Plan zur Beendigung der Angelegenheit. Aufgrund seiner neuen Aufgabe im Dienste der Königin, würde es mich nicht wundern, wenn weitere Abenteuer von Sir Jack Dodger folgen würden.
 


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