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Philip K. Dick

Kleiner Mond für Psychopathen


 
»Kleiner Mond für Psychopathen« von Philip K. Dick


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(4)

 
 
Klappentext:
Ein Hospitalmond im Alpha Centauri System wird von ausgebrochenen Psychopathen erobert. Die Irren bereiten sich auf einen Krieg mit der Erde vor. Der Kriegsclan der Paranoiker plant den Präventivschlag, die Manischen basteln begeistert die Waffen dazu. Extraterrestrier mischen sich ein. Die Erde entsendet Top-Agenten Rittersdorf. Aber Rittersdorf hat kein Verständnis für Psychopathen. Sein Problem: Wie bringe ich unauffällig meine Frau um?

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Kleiner Mond für Psychopathen gehört für mich sicherlich zu der Sorte schräger und bizarrer Geschichten wie sie eigentlich nur Philip K. Dick schreiben kann. Und wäre nicht Dick der Autor gewesen, hätte ich das Buch vermutlich schon nach 20 Seiten in die Ecke gepfeffert. Die Handlung ist verzwickt (ja, trotz allem) und eigentlich (wenn ich es recht bedenke) auch nicht langweilig - immer passiert irgendetwas, irgendwo. Die fehlende Langeweile ist mit Sicherheit auch dem Umstand geschuldet, dass die Story gerade mal 187 Seiten umfasst und Dick erst gar nicht versucht hat sie künstlich aufzublähen.

Da gibt es einen Mond, Alpha III M2, auf dem sich eine kunterbunte Schar psychisch kranker Menschen tummelt. Vor dem Krieg der Menschen mit den außerirdischen Alphanern lebten sie auf dem Mond in einem Hospital und waren deren Patienten. Im Zuge des Krieges wurde das Hospital zerstört und die Patienten verteilten sich über den ganzen Mond, wobei jede Krankheit quasi ihre eigene Gemeinschaft gegründet hat. Frei nach dem Motto: Elend sucht Gesellschaft.

Es gibt die Gemeinschaft der Paranoiker, der Schizophrenen, der Zwangsneurotiker usw. Einmal im Jahr treffen sich einige der Führungsmitglieder jeder Kaste um einen gemeinschaftlichen Rat abzuhalten. So auch dieses Mal. Der Grund ist einfach: Wie man erfahren hat, möchte die Erde wieder die Oberherrschaft über Alpha III M2 erlangen und alle Kranken (sie selber sehen sich nicht als krank an) ins Hospital stecken und zwangsbehandeln. Man entschließt sich, notfalls auch mit Gewalt dem Ansinnen der Erde entgegenzutreten. Diese hat die Psychologin Dr. Mary Rittersdorf auf den Mond geschickt um schon einmal „vorzufühlen“ wie therapierbar die Kranken denn so sind.

Der Machtübernahme des Mondes durch die Erde stehen aber auch die Alphaner sehr kritisch gegenüber, da sie ebenfalls Anspruch auf ihn erheben. Es könnte ein neuer Krieg beginnen. Die Alphaner ihrerseits haben einen menschlichen „Agenten“ unter den Erdlingen, ein mehr oder weniger kriminelles Element names Bunny Hentmann, gefeierter TV Star auf der Erde. Dieser versucht nun ebenso die Übernahme des Mondes durch die Erde zu torpedieren – zugunsten der Alphaner. Er plant einen Mordanschlag auf Mary Rittersdorf, den ausgerechnet ihr Ex-Ehemann Chuck Rittersdorf durchführen soll, der nicht gerade gut auf seine nörgelige Ex-Frau zu sprechen ist und einem nicht sonderlich gut bezahlten Job als Simulakron-Programmierer bei der CIA nachgeht, weswegen es auch immer wieder Probleme mit seiner Ex-Frau Mary gibt, die nach der Scheidung finanziell ausgesorgt haben möchte.

Kurze Rede, langer Sinn: Was noch einigermaßen „normal“ in der Inhaltsbeschreibung klingt, entwickelt sich zu einem Tohuwabohu von verpassten Möglichkeiten, zwielichtigen Doppelagenten, bizarrer Visionen, gescheiterten Plänen und arbeitslos gewordenen CIA Mitarbeitern, wo jeder mit (oder gegen) jeden intrigiert – und in dem ein gelber Schleimklumpen vom Ganymed seine telepathisch erlangten Erkenntnisse zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit an den Mann (oder die Frau) zu bringen versucht. Und irgendwie hat das Ganze dann auch noch ein Happy End für alle (was nach dieser Geschichte am allerverwunderlichsten ist – ja ich weiß, das Wort gibt es nicht, muss für dieses Buch aber einfach mal herhalten).

Wie Dick mit all den Krankheitsbildern der psychisch Geschädigten zu jonglieren weiß, verwundert einen als Leser nicht, sofern man die Vorgeschichte des Autors kennt. Auch wenn die Geschichte an sich nicht wirklich „gut“ erzählt ist, es fehlt bei alldem die Tiefe und hinterfragen sollte man die Handlungen und Gegebenheiten ob der vielen Logiklöcher nun wirklich nicht, so weiß sie doch durch eine Vielzahl skurriler und lebendiger Charaktere zu punkten. Die Art wie sie agieren ist für mich so toll beschrieben, dass man sie alle einfach lieben muss, egal ob sie gut oder böse sind. Es sind Stereotypen in Reinkultur, aber so überzeichnet, dass es mir einfach Spaß gemacht hat sie kennengelernt zu haben. Chuck Rittersdorf reiht sich bei mir gleich hinter Joe Chip (Ubik), Rick Deckard (Blade Runner – aber der aus dem Buch, nicht der aus dem Film) oder Jason Taverner (Eine andere Welt) ein. Ich mag sie, ich liebe sie. Jeder plagt sich mit Problemen der eigenen Art herum und versucht im Leben irgendwie klarzukommen bei dem was er macht. Im vorliegenden Fall muss die Frage erlaubt sein, ob eine Gesellschaft, die ausschließlich aus Paranoikern oder aus Schizophrenen besteht überhaupt bestehen kann.

Fazit
Obwohl Kleiner Mond für Psychopathen sicherlich keine „höhere Literatur“ ist (eher eine banalere), so kann ich das Buch dennoch jedem empfehlen, der einfach mal eine schräge und abgefahrene Geschichte lesen möchte - völlig ohne Sinn und Verstand. But, who cares?
 


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