John Ajvide Lindqvist
Wolfskinder
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»Wolfskinder« von John Ajvide Lindqvist
Lennart und Laila sind zwei alternde Musiker, deren Karriere nie so richtig ans Laufen gekommen ist. Sie sind mit ihrem Sohn Jerry gestraft, der sie nur ausnutzt und die Kluft, die zwischen den Eltern herrscht, nur noch verstärkt. Als Lennart eines Tages Pilze suchen geht, findet er ein begrabenes Baby. In letzter Sekunde kann er das Kind retten und bringt es nach Hause. Doch statt die Behörden zu informieren, ziehen er und seine Frau das Mädchen versteckt im Keller auf. Doch Theres scheint wie ein Wesen von einem anderen Stern. Sie spricht nicht, sie singt. Und dies mit einer glockenreinen Stimme, die ihres Gleichen sucht. Den beiden ist nicht klar, dass sie sich das Ur-Böse ins Haus geholt haben.
Das Cover zeigt ein junges Mädchen auf einem Waldweg, umringt von Bäumen. Es ist düster, die Bäume stehen eng beieinander, leichter Bodennebel wabert durch die Szene. Ich finde es gut zu Titel und Inhalt gewählt, da der Bezug zur Natur gegeben ist und mit dem Mädchen eine Protagonistin des Buches dargestellt wird. Der wölfische Aspekt fehlt zwar und auch die Gewalt, die dem Buch zu eigen ist, aber schlecht ist es nicht.
Wolfskinder ist mein erstes Buch des Autors John Avide Lindqvists. Viel hatte ich schon von ihm gehört und freute mich nun sehr, auf einen außergewöhnlichen Roman. Und außergewöhnlich ist genau das Wort, welches das Buch am Besten beschreibt!
Allein der Schreibstil ist für mich schon ungewohnt, da Lindqvist in einer Mischung aus Tatsachenbericht, wörtlicher Rede und Thriller schreibt. Anfangs verwirrend, konnte mich das Buch erst nach und nach fesseln. Um ehrlich zu sein, wollte ich es nach der Hälfte beenden, war dann aber mehr als froh, es nicht getan zu haben! Denn nachdem ich mich an das Holprige gewöhnt hatte, flogen die Seiten nur so vorbei und ich konnte mich ganz der Handlung hingeben.
Musik und Tod sind die zwei Komponenten dieses Werkes. Beides rein, beides natürlich. Ich fand es sehr faszinierend wie stark dies miteinander verflochten sein kann und wie ausdrucksstark der Autor dies vermittelte. Besonders fasziniert hat mich, wie Lindqvist die Reinheit dieser beiden Komponenten ins Brutale, ins Grausame umwandelte. Musik kann laut sein und die Misstöne schmerzen, der Tod, so wie der Autor ihn darstellt, ist unvorstellbar grausam.
Ich kann nicht behaupten, dass die Protagonisten lebensnah und authentisch auf mich wirkten. Dafür waren sie einfach zu fremd; aber fesseln und begeistern haben sie mich von der ersten Seite an! Selten konnte mich eine Person wie das Findelkind Theres so faszinieren! Einzig schade fand ich, dass ihre Herkunft nicht geklärt wurde und sie weiterhin für mich ein absolutes Mysterium bleibt. Theres wurde nicht nur als Säugling im Wald ausgesetzt, sie wurde sogar lebendig begraben. Wenn Lennart nicht durch Zufall an dieser Stelle vorbei gekommen wäre... Sie wächst versteckt von der Außenwelt im Keller der Familie auf. Theres redet nicht, sondern singt; sie ernährt sich ausschließlich von Babygläschen und eine Weltvorstellung hat sie nicht. Geschürt von Lennart, der ihr Lügengeschichten über die Welt außerhalb des Kellers erzählt, fristet sie in meinen Augen ein schreckliches Leben. Doch Theres kennt es nicht anders und wirkt auf ihre Art glücklich und zufrieden. Sie hat nie gelernt, was Glück, Trauer, Schmerz und Zuverlässigkeit ist. Abgeschottet in dem Keller schafft sich das Mädchen eine eigene Weltvorstellung, die so völlig von dem gewohnten Weltbild abweicht.
Lennart projeziert all seine Wünsche und Hoffnungen auf das Mädchen. Was er nicht geschafft, hat, soll Theres nun für ihn schaffen: Die Welt mit ihrem Gesang erobern. Völlig verblendet von ihres einzigartigen Gesanges, entgeht ihm das Offensichtliche. Denn wie kann man einen Künstler ohne Vergangenheit und mit Angst vor anderen Menschen auf eine Bühne bringen? Ja, singen lassen vor einem Millionenpublikum?
Jerry, der Sohn Lennarts und Lailas, ist eine gescheiterte Existenz. Er ist ein Schmarotzer, wie er im Buche steht und nur auf sein Wohl bedacht. Jerry nutzt seine Eltern schamlos aus und seine Gier kennt keine Grenzen. Sei Egoismus erfährt erst eine Kehrtwende, als er Theres kennen und lieben lernt. Die beiden verbindet ein Band, welches ich weder verstehen, noch nachempfinden kann, welches aber unbestreitbar existiert. Ich fand es sehr spannend zu beobachten, wie aus dem Egoisten ein fürsorglicher Mensch wurde. Fähig zur Liebe, zur Verantwortung.
Mein Fazit
Ein grausames und verstörendes Werk, welches mich faszinierte.