Thomas Thiemeyer Chroniken der Weltensucher 1
Die Stadt der Regenfresser
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»Die Stadt der Regenfresser« (Chroniken der Weltensucher 1) von Thomas Thiemeyer
Abenteuergeschichten gehören vermutlich mit zum ältesten und beliebtesten Zweig der Literatur. Angefangen bei den großen Schriftstellern wie etwa Jules Verne oder Karl May finden diese Geschichten auch heute noch immer wieder zielsicher ihre Leserschaft, wobei die Zielgruppe sich gleichermaßen auf Jung und Alt verteilen dürfte. Auch Thomas Thiemeyer hat sich mit seiner Reihe Chroniken der Weltensucher auf die literarischen Spuren seiner schriftstellerischen Vorreiter begeben. Genau wie diese, bedient er sich dabei an dem Reiz den phantastische Expeditionen zu exotischen Orten versprühen. Ein ums andere Mal fühlt man sich dabei als Leser, wie Alice im sprichwörtlichen Wunderland. Monströse Insektenkrieger samt Königin, fliegende Schiffe, alte Legenden und verschollene Völker, all das, bietet Thiemeyer in dem vorliegenden Buch Die Stadt der Regenfresser , seinem ersten von fünf Bänden der Reihe.
Erleben dürfen wir die Abenteuer durch die Augen des sechzehnjährigen Oskar Wegener, der sich als Taschendieb durch das Berlin des ausklingenden 19. Jahrhunderts schlägt. Eines seiner Opfer dem er die Brieftasche stiehlt, ist der Forscher Carl Friedrich Donhauser, aka von Humboldt. Was Oskar allerdings nicht weiß, ist der Umstand, dass diese Begegnung nicht zufällig stattfand, sondern von Carl Friedrich geplant wurde. Warum, das wird in den späteren Büchern offenbar. Nachdem sich die zwei nun kennengelernt haben, bietet von Humboldt Oskar an, ihn auf einer anstehenden Forschungsreise nach Südamerika zu beleiten. Von Humboldt ist auf Umwegen in den Besitz einer Fotoplatte gelangt, auf der eine ganz und gar außergewöhnliche Szene abgelichtet wurde. Als Forscher drängt es ihn förmlich danach, dieser Sache auf den Grund zu gehen. Als Begleiter kommt nicht nur Oskar, sondern auch von Humbolds noch minderjährige Nichte Charlotte Riethmüller und seine „Haushälterin“ Eliza mit.
Zur gleichen Zeit, gelangt in New York eine Tasche mit weiteren Fotoplatten in den Besitz des Zeitungsmoguls Alfons T. Vanderbild. Dieser erkennt sofort, dass der Urheber dieser Fotoplatten sein schon lange vermisster Fotograf Harry Boswell ist. Da Vanderbild aufgrund der Fotoplatten eine sensationelle Story wittert, und um natürlich herauszufinden was mit Boswell passiert ist, schickt er seinen Mitarbeiter Max Pepper samt Begleitschutz, der taffen Amazone namens Valkrys Stone, auf die Reise in Richtung Südamerika. Nach einer gefahrvollen Reise, treffen sich beide Parteien an ihrem Zielort in den südamerikanischen Anden. Dort machen sie die Bekanntschaft eines uralten Inka-Volkes. Dieses Volk, als Regenfresser bekannt und gefürchtet, fliegt mit Luftschiffen über den Himmel und wird von einer unglaublichen Gefahr bedroht. Es obliegt nun Carl Friedrich und seinem Team der Weltensucher, nicht nur die Gefahr zu bannen, sondern auch eine uralte Legende zu erfüllen.
Kurzweilig und fesselnd präsentiert Thiemeyer seine phantasievolle und bisweilen auch gruselig anmutende Geschichte. Einen zusätzlichen Kick erfährt das ganze noch dadurch, dass die Geschichte nicht in der heutigen Zeit, sondern im Jahr 1893 spielt. Zu einem Zeitpunkt also, an dem es viele, heute schon als unverzichtbar geltende Errungenschaften, noch nicht gab. Kein Handy mit dem man schnell Hilfe herbeirufen konnte, kein GPS um den Weg zu finden und sich nicht zu verirren, nein, noch nicht einmal einen zweiter Klasse Flug nach Südamerika. Ohne die Errungenschaften der modernen Technik, ganz auf sich allein gestellt, kämpfen sich die Weltensucher mühsam und unter Strapazen tagelang durch die Wildnis der Anden um an ihr Ziel zu gelangen. Genau das macht das vorliegende Buch zu dem was es ist, einem grandiosen und spannenden Abenteuer. Seine Helden erleben genau das, was sich Stubenhocker gerade nicht wünschen. Steilwände die erklettert werden müssen, Hängebrücken über einem bodenlosen Abgrund, dunkle Tunnel in denen eine grässliche Gefahr lauert und einen Weg, den die Protagonisten mit Hilfe kryptischer Symbole erst noch suchen müssen. Nein, Weicheier und Muttersöhnchen haben hier definitiv nichts verloren.
Als Leser zieht einen das Buch in seinen Bann, man erlebt die Abenteuer der vier Protagonisten plastisch mit. Stilistisch lässt Thiemeyer dabei nichts zu wünschen übrig. Er schreibt wie aus einem Guss und lässt gar nicht erst Langeweile aufkommen. Seine Sprache ist unkompliziert und unprätentiös, kein Rumgeschwurbel oder immer neuere Superlativen. Thiemeyer bringt es schlicht und einfach auf den Punkt. Das kommt mir als Leser sehr entgegen.
Die Charaktere sind sympathisch, selbst der von Humboldts Gegenspielerin Valkrys Stone, aber doch relativ oberflächlich. Man erfährt nicht viel von ihnen oder ihrer Vergangenheit. Sie sind da, aber mehr auch nicht. Im Laufe der Reihe wird sich das zwar noch ändern, aber für den Erstling der Reihe hätte ich mehr etwas mehr Hintergrundwissen gewünscht.
Hält sich das Buch, wissenschaftlich gesehen, im Großen und Ganzen anfangs noch durchaus im Rahmen, gleitet es doch gegen Ende hin ins phantastische ab. Aber das ist durchaus OK. Die insektoide Bedrohung würde auch einem SF Buch gut zu Gesicht stehen. Tatsächlich erinnert sie mich ein bisschen an den Film Alien. Auch dort wurden die Aliens von einer Königin, die ihre Nachkommen aus einem Gebärsack an ihrem hinteren Ende gebar, regiert. Die Opfer wurden gleichfalls in einen Kokon eingesponnen. In wahrer Ripley Manier zieht von Humboldt zum Ende hin los, um seine Nichte Charlotte (Newt) aus den Fängen der Königin zu befreien. Wer weiß, vielleicht hatte sich ja Thiemeyer durch den Film inspirieren lassen. Da will ich es ihm auch gerne verzeihen, wenn er dieser eindrucksvollen und mächtigen Königin, die sich eines Rundumschutzes rühmen konnte, eine winzig kleine Stelle verpasst hat, die sie verwundbar machte. Das so etwas vorkommen kann, davon könnte Siegfried, der aus der Nibelungensaga, ein Lied singen.
Ein gelungener Auftakt zu einer wahrhaft abenteuerlichen Reihe.