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Philip K. Dick

Hauptgewinn: die Erde: Roman


 
»Hauptgewinn: die Erde: Roman« von Philip K. Dick


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(4)

 
 
In 2203 kann jeder Herrscher des Neun-Planeten-Sonnensystems werden – ohne überhaupt zur Wahl antreten, geschweige denn sie gewinnen zu müssen. Es hängt alles vom richtigen Dreh einer riesigen Flasche ab. Als Leon Cartwright der neue »Quizmeister« wird, glaubt er, die Geschicke des Systems in seinem Sinne lenken zu können. Doch diese zufällig erworbene Macht hat ihren Preis: Der abgesetzte Quizmeister Reese Verrick sendet Attentäter aus, die nur ein Ziel haben: Cartwright zu eliminieren. Und die Konzerne haben ebenfalls ihre eigene Agenda.

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Will man Tante Wiki Glauben schenken (und warum sollte ich das nicht, mir kann man ja alles erzählen), dann handelt es sich bei dem vorliegenden Buch Hauptgewinn: Die Erde (OT: Solar Lottery) um Dicks allererstes Buch, welches er im Jahr 1955 veröffentlicht hat. Und, was mich noch viel mehr erstaunt ist die Tatsache, dass die Inhaltsangabe auf der Coverrückseite sogar mehr als zutreffend ist. Wobei, … eines muss ich aber noch erwähnen. Die Inhaltsangabe gibt nur einen Teil des Buches wieder, wenn auch den Löwenanteil. Den zweiten Erzählstrang hat man schlichtweg unterschlagen.

Allerdings habe ich absolut keine Ahnung, was der eigentlich sollte. Denn für die eigentliche Geschichte hat er keinen (Mehr-)Wert. Im Gegenteil, wenn ich ehrlich sein soll, macht er auch irgendwie so gar keinen Sinn. Er zeigt höchstens schon im Jahr 1955 welch verworrene und metaphysischen Gedanken so im Kopf des Autors ihre Bahnen ziehen. Aber eines nach dem anderen.

Der Hauptcharakter ist Ted Benteley. Nachdem dieser seine alte Stellung verloren hat, lässt er sich etwas übereilt auf den, seiner Meinung nach amtierenden Präsidenten (auch Quizmeister genannt) des Neun-Planeten-Sonnensystems, Reese Verrick, namentlich (!) vereidigen. Dumm nur das Verrick kurz zuvor durch eine Art Zuckung einer ominösen Flasche (die ist für die Wahl des Präsidenten verantwortlich - muss man einfach so aktzeptieren) durch den Elektronikexperten Leon Cartwright ersetzt worden ist. Fortan arbeitet Benteley also für den falschen Mann. Nicht für den amtierenden Quizmeister (wie er es eigentlich wollte), sondern für den abgesetzten. Der neue Quizmeister Cartwright ist nicht einfach nur Irgendjemand, sondern hat, was zu diesem Zeitpunkt niemand weiß, die Flasche manipuliert und sich somit selbst zum neuen Quizmeister gekürt.

Klingt alles irgenwie verwirrend, oder? Ist es auch. Mal davon abgesehen das die Idee, den Präsidenten des Sonnensystems durch eine Flasche zu bestimmen, schon ziemlich abgefahren ist, so setzt Dick dem ganzen noch die Krone auf. Der abgesetzte Quizmeister hat nämlich auch das Recht, einen Attentäter loszuschicken, der den neuen Quizmeister um die Ecken bringen darf. Auch diese Verlosung, wer denn der Attentäter wird, ist eine öffentliche Ziehung. Wie quasi unsere Ziehung der Lottozahlen. So können alle Menschen live dabei sein, wenn dem neuen Quizmeister der Geraus gemacht wird. Die einzigen Helfer die der neue Quizmeister hat, ist eine Gruppe Telepathen, extra darauf vereidigt, den jeweils amtierenden Quizmeister zu beschützen. Also so eine Art Secret Service – nur paranormal.

Der Haupteil des Buches handelt nun davon, wie Verrick und Cartwright gegeneinander intrigieren. Der eine um wieder ins Amt zu kommen, der andere um im Amt zu bleiben. Die bange Frage ist, ob es dem Attentäter gelingt, Cartwright zu töten. Die Chancen stehen gut. Cartwright hat zwar die Telepathen um sich die ihm helfen können, aber Verricks Attentäter hat einen entscheidenden Vorteil. Einen Vorteil, der selbst die Telepathen vor eine fast auswegslose Situation stellt.

Tja, kommen wir jetzt auf den zweiten Handlungsstrang zu sprechen, in dem Leon Cartwright eine recht … interessante Rolle spielt. Er ist nämlich Vorsitzender der PRESTON Gesellschaft und somit ein Prestonit. Diese Gesellschaft wurde im Andenken an John Preston gegründet. Dieser war tatsächlich der Meinung, es gäbe einen zehnten Planeten im Sonnensystem, Flammenscheibe genannt. Auf diesen wollte er mit seinen Anhängern auswandern, um so die ganze Korruption und das Konglomerat aus Wirtschaftssystemen der Erde, hinter sich zu lassen. Im Laufe der Geschichte, machen sich dann tatsächlich einige von Prestons Anhängern an Bord eines Raumschiffs auf die Suche nach Flammenscheibe. Und ja, sie werden sie finden. Was dann allerdings passiert ist typisch Dick. Anders kann ich es nicht ausdrücken.

Wie bewerte ich so ein Buch?
Was mir als erstes auffällt ist die Rolle der Frau. Ein typisches Klischee der fünfziger und sechziger Jahre. Hübsche Betthäschen die für ihren Angebeteten alles tun würden. Auch notfalls mit dem Kokurrenten ins Bett zu schlüpfen. Zwar sind sie immer präsent, aber das sind Stühle und Zimmerpflanzen in der Regel auch. Und irgendwie kommen die Mädels auch nicht über diesen Status hinaus.

Die Hauptcharaktere Verrick, Benteley und Cartwright sind zwar recht oberflächlich, aber dennoch interessant. Kein großer Wurf, aber es macht dennoch Spaß zu verfolgen, wie sie sich in ihre jeweiligen Rollen einfinden, wie sie miteinander agieren und welche Entscheidungen sie treffen. Verrick, der nur daran interessiert ist wieder an die Macht zu kommen, Benteley, der verzweifelt versucht das Richtige zu tun und Cartwright, der das Wahlverfahren zum Quizmeister manipuliert hat und nun selbst nach der Macht greift. Die letzten beiden, Benteley und Cartwright verbindet der Wille, dass herrschende System grundlegend zu verändern. Mir haben alle drei irgendwie gut gefallen.

Die Welt die Dick entwirft, ist für mich so ein bisschen die Vorstufe zum Cyberpunk. Sie ist dystopisch, düster und pessimistisch. Geprägt von der Kommerzialisierung und von gigantischen Wirtschaftsimperien (Hügel genannt), welche die Macht auf allen Planeten des Systems an sich gerissen haben. Das Verhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen ist nicht das eines Arbeitgebers zu seinen Angestellten, sondern entspricht eher dem eines Herrn (Lehnsherren) zu seinen Sklaven. Teile der Bevölkerung leben in Armut und Abhängigkeit. Das die Macht im System von einer Flasche vergeben wird, ist bezeichnend.

Dicks Schreibstil ist irgendwie einzigartig und bisweilen völlig von Sinn und Verstand losgelöst. Die Geschehnisse um die PRESTON Gesellschaft sind bar jeglicher Logik und machen für die vorliegende Geschichte auch überhaupt keinen Sinn. Aber dennoch gehört sie irgendwie dazu. Das ist halt Philip Dick und so gesehen, macht sie dann auch wieder Sinn.

In all den Jahren, sind mir die Geschichten des Autors doch ans Herz gewachsen. Sie sind nicht immer leicht zu verstehen (wie Ubik z. B.) aber sie haben für mich immer ihren Reiz. Auch das vorliegende Buch ist keine Herausforderung an den menschlichen Verstand, es ist einfach, eine nette und für mich durchaus unterhaltsame Geschichte. Und was will (ich) mehr?
 


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