Kim Stanley Robinson
2312
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»2312« von Kim Stanley Robinson
Wir schreiben das Jahr 2312: Die Planeten und Monde unseres Sonnensystems sind besiedelt, in zahlreichen ausgehöhlten Asteroiden oder künstlich geschaffenen Habitaten leben Millionen von Menschen, untereinander verbunden durch fragile und lockere Bündnisse.
Als Alex auf dem Merkur stirbt, wird eine Untersuchung in die Wege geleitet die herausfinden soll, ob es sich dabei um vorsätzlichen Mord oder um einen natürlichen Todesfall handelt. So wie es ausschaut, war Alex einer systemumspannenden Verschwörung auf der Spur, welche die Machtverhältnisse im Sonnensystem neu regeln wollte. Ihre Enkelin Swan Er Hong, ein Inspektor vom Mars namens Jean Genette und der Botschafter des Titan, Fitz Wahram, nehmen die Ermittlungen auf.
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Tja, das ist er also, der frisch mit dem Nebula Award ausgezeichnete neue Roman von Kim Stanley Robinson. Nur zur Erinnerung: Der Preis wird von der SFWA (der Science Fiction and Fantasy Writers of America) vergeben, also nicht von Lesern, sondern vielmehr von Autoren.
Ironiemodus an
2312 , man könnte meinen, dass es sich dabei in erster Linie um eine Jahreszahl handelt, das Jahr zum Beispiel, in dem das Buch spielt. Weit gefehlt – in erster Linie handelt es sich dabei um die Anzahl der Gähner die ich unterdrücken musste bevor ich dieses dröge und leider nur leidlich spannende Buch beendet hatte. Nun ja, wenigstens ist sich Robinson treu geblieben, denn zwischen Technogebabbel und vielen Planetenbeschreibungen gab es mal wieder ein Minimum an Handlung. Das es so kommen würde, war mir ja irgendwie klar, aber das es dann so schwer verdaulich sein würde, hat selbst mich überrascht. Und dabei fing es gar nicht mal schlecht an. Es lief alles auf eine wilde Verschwörungsjagd hinaus, ein als alltäglich dargestellter Todesfall schien sich als Mord zu entpuppen. Die Ermittler waren auch gleich vor Ort, stellten unangenehme Fragen und äußerten so ihre Zweifel an dem vermeintlichen Todesfall. Es hätte so gut werden können, aber Robinson ist und bleibt eben Robinson.
Ironiemodus aus
Es ist ja nicht so, dass es keine guten Ansätze geben würde, im Gegenteil, das Buch sprudelt geradezu davon über. Die Menschheit ist dazu übergegangen, Asteroiden auszuhöhlen und Themenparks daraus zu machen. Es gibt innerhalb dieser Asteroiden Wasser- und Eiswelten, ganze Zoos, in denen man die letzten Exemplare von, auf der Erde bereits ausgestorbener Tierarten, bewundern kann. Wald- und Wiesenasteroiden in denen man sich entspannen kann. Man fliegt in der Regel nicht mit dem Raumschiff von Planet zu Planet, sondern landet auf diesen künstlichen Habitaten und lässt sich von ihnen dort hinbringen, je nachdem welches sich gerade auf dem Weg zum Ziel befindet.
Das ergibt natürlich auch die Möglichkeit, alle Habitate ausgiebig zu beschreiben, wovon Robinson auch dankbar Gebrauch macht. Spätestens dann hat man das Gefühl, er schreibt nicht um dem Leser eine Geschichte zu erzählen, sondern vielmehr, um das Buch als eine Plattform zu benutzen auf der er seine wissenschaftlichen Theorien zum Terraforming oder Asteroidenforming an den Mann bringen kann. Wenn er das ein- oder zweimal machen würde, wäre das ja in Ordnung, aber in der Masse wirkt es ermüdend und einfach nur langweilig. Der Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig nicht auf der Geschichte an sich, sondern fast ausschließlich in den Erklärungen welcher Planet, Mond oder Asteroid wann, wie und warum terraformiert wurde. Pausenlos müssen seine Protagonisten von A nach B fliegen, damit Robinson einen Grund hat darüber zu schreiben. Wäre 2312 ein Sachbuch, hätte ich ja Verständnis dafür, aber es ist nun mal ein Roman, eine Unterhaltungslektüre, die bitte auch genau das machen soll – unterhalten. Und das tut sie mich defnitiv nicht.
Würde zumindest noch die Rahmenhandlung stimmen, oder spannend sein, immerhin geht es hier um eine Verschwörung, könnte man noch darüber hinwegsehen, aber auch dem ist nicht so. 30 bis 40 Seiten lang erzählt er wie Wahran und Swan durch einen Tunnel wandern und munter Beethoven vor sich hinpfeifen. Das zuvor stattgefundene Konzert wird ausschweifend beschrieben, das Surfen in den Ringen des Saturn seitenweise zelebriert. Das Buch ist für mich eine Aneinanderreihung von Plattitüden und Belanglosigkeiten. So ist es auch kein Wunder, wenn die Auflösung der Verschwörung schon fast zur Nebensache gerät. Ob Alex nun ermordet wurde oder nicht, damit begann die Geschichte immerhin, wird weder aufgeklärt, noch kommt Robinson jemals darauf zurück. Der Drahtzieher hinter dieser Verschwörung entlarvt sich Swan gegenüber beim Bocciaspiel. Die Verschwörung lässt zudem jeden Clou vermissen und entpuppt sich als geradezu banal. Nichts was es nicht schon gegeben und über das nicht schon Dutzende von SF und Krimiautoren zig mal geschrieben hätten (und das vermutlich wesentlich spannender). Eine Regierung wird unterwandert um Machtverhältnisse zu verändern, die mittels Anschlägen untermauert werden sollen. Bei diesen Anschlägen werden dann auch mal eben ein paar Steinchen quer durchs halbe Sonnensystem geschossen.
Durchsetzt ist das Buch von vielen Zwischenkapiteln, jeweils überschrieben mit –Listen- oder –Auszügen-. Was das ganze soll, bleibt mir jedoch schleierhaft. Genau wie der Rest des Buches hätte man sich das sparen können. Es ist entweder eine Ansammlung von Fachausdrücken oder kurzen Essays, die irgendwo mitten im Satz anfangen und auch mitten im Satz aufhören. Vermutlich sollen sie Teile der Geschichte erklären oder auf bestimmte Begebenheiten näher eingehen – ich weiß es nicht.
Auf der Habenseite sehe ich, wie oben schon angedeutet, die teilweise phantastisch anmutenden Weltenentwürfe. Robinson entpuppt sich für mich in dieser Hinsicht schon fast als Visionär, wie auch bei seiner (genauso drögen) Mars -Trilogie. Ob sich allerdings seine theoretischen Entwürfe so auch in die Praxis umsetzten lassen würden, lasse ich mal dahingestellt. Genauso bunt wie seine Welten, sind auch die Menschen die er dem Leser vorstellt. Nicht die Personen an sich, die empfinde ich eher als oberflächlich, sondern vielmehr die Menschen in ihren zahlreichen körperlichen Erscheinungen und Ausprägungen. Nicht nur das sie umweltangepasst sind, sie unterliegen auch keiner typischen Geschlechterrolle mehr. Hermaphroditen geben sich die Hand mit Androgynen oder Gebärmännern.
Terminator, die fahrbare Stadt auf dem Planeten Merkur, erinnert etwas an die Geschichte Der steile Horizont von Christopher Priest. Auf Schienen umläuft Terminator den Planeten, immer im Schatten der Sonne, da sie sonst von dieser verbrannt würde. Der Antrieb ist genauso genial wie simpel. Durch die Ausdehnung der Schienen hinter ihr, hervorgerufen durch die Wärmestrahlen der Sonne, wird sie in den Schatten, der vor ihr liegt, geschoben und befindet sich somit immer in der Kälte der Nacht. Auch das Thema Qube, kleine KIs die entweder im oder am Körper getragen werden, ist nicht neu. Das diese KIs anschließend weitere KIs entwicklen und diese auch noch optisch den Menschen anpassen, also auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden sind, erinnert an die Zylonen aus der Battlestar Galactica Reihe. Eine weitere schöne Idee ist die "tierische Neubesiedlung" der Erde, indem eben diese Tiere quasi per Fallschirm über der Erde abgeworfen werden. Das passt nicht allen Menschen in den Kram, ist jedoch dringend nötig, um der arg unter der Abschmelzung ihrer Pole leidenden und vor sich hinsiechenden Erde, einen ökologischen Tritt zu verpassen und einen Neustart einzuleiten.
Fazit:
Wer eine spannende und unterhaltsame Handlung wünscht ist hier fehl am Platz. Es ist nicht so, dass die Handlung nicht gut wäre, sondern es gibt einfach keine. Paradoxerweise ist das jedoch noch nicht einmal negativ gemeint sondern zeigt vielmehr, dass dieses Buch auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnitten ist. Genau wie eine Diplomarbeit keine Handlung hat und für jemanden der nicht zur Zielgruppe gehört daher auch langweilig sein wird, ist sie das für Leute aus der Zielgruppe jedoch beileibe nicht. Mit dem vorliegenden Buch spricht Robinson einfach eine andere Art Leserschaft an als mich. Eine Leserschaft, die eher wissenschaftlich ausgerichtet und bei der eine Handlung eher zweitrangig ist. Robinson ist zwar ein Visionär mit wirklich tollen Entwürfen, aber das sind andere Schriftsteller auch und teilweise erheblich besser. Vielleicht sollte er einfach mal über die Hinzuziehung eines Co-Autoren, der für eine Rahmenhandlung zuständig ist, nachdenken. Solange er jedoch für seine Werke ausgezeichnet wird, düfte das jedoch eher nicht der Fall sein. Die 2 Sterne bekommt er darum, weil er es einfach nicht schafft, zwischen seinen Visionen und Entwürfen eine halbwegs lesbare Story zu liefern.