Tim Curran
Zerfleischt
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»Zerfleischt« von Tim Curran
Untergegangen ist die Welt nicht. Nein, etwas viel Schlimmeres ist über die Menschheit hereingebrochen. Die Menschen rotten sich von einen auf den anderen Moment selber aus, da sie in den Ur-Modus zurück versetzt wurden. Leben, atmen, fressen, töten, paaren. Zu mehr scheint das Tier Mensch nicht mehr fähig zu sein. Mitten in dieser Art Untergang scheinen Louis Shears und seine junge Nachbarin Macy Merchant die einzigen zu sein, die noch klar denken können. Auf der Flucht, gejagd, gehetzt, bedroht, sehen sich die beiden einem Ende entgegen, dass keiner jemals für möglich gehalten hätte.
Das Cover zeigt ein kleines Mädchen, welches einen Mann an der Leine hält. Dieser ist auf allen vieren, trägt eine Hundemaske und umklammert ein Fleischermesser. Die Umgebung ist sehr dunkel in schwarz und grün Tönen gehalten, von der Decke hängen Fleischerhaken. Ich finde es sehr gut zu Titel und Inhalt des Buches gewählt. Mich als Horror-Fan spricht es sofort an und ist ein Garant für den sofortigen Kauf.
Tim Curran versucht mit seinem Werk zu schocken und zu provozieren. Leider ist ihm dies nicht ganz gelungen. Louis und Macy, bzw. die Begebenheiten um die beiden herum, dienen als roter Faden, der durch die Geschichte lotst. Wenn dies nicht gewesen wäre, hätte ich leider überhaupt keinen Sinn in dem Buch finden können. Mir persönlich fehlte eine klar strukturierte Handlung, der ich folgen konnte. Durch die Einteilung in sehr viele kurze Kapitel soll anscheinend Spannung aufgebaut werden, aber auch dies misslingt. Zu Beginn springt der Autor von einem Schreckensszenario ins nächste und die Neugierde wird geweckt. Tim Curran schildert die einzelnen Begebenheiten morbid ausführlich und steigert sich förmlich in einen Blutrausch hinein, dem der Leser nur schwer folgen kann und auch irgendwann nicht mehr folgen will, da sich sehr vieles wiederholt. Eine grausige Szene jagd die nächste und versucht sich in Brutalität zu übertrumpfen. Aber nach dem zwanzigsten aufgeschlitzten Bauch oder abgetrennten Kopf, schleicht sich Abgestumpftheit ein. Die Morde werden zur Nebensache man giert förmlich nach einer Handlung. Ein Erklärung, wie es zu dieser Gewalt kommen konnte, gibt es nicht, denn es wird lapidar damit erklärt, dass die menschliche Rasse in den Ur-Modus zurückgeschaltet wurde. Nachvollziehbar war dies für mich überhaupt nicht, da die Schilderungen für mich zu weit hergeholt waren. Welches Tier quält seinen Nachwuchs, findet Freude am Töten und frisst sich gegenseitig auf und dies auch noch mit einer Freude, die an Wolllust grenzt?
Die beiden Protagonisten Louis und Macy wurde schwach dargestellt. Ihr Denken, Fühlen und Handeln wurde zwar erklärt, aber man konnte sich nicht in ihre Situation hineinversetzen. Mit ihnen fiebern, um sein Leben fürchten, Panik empfinden oder gar ihre Handlungen nachvollziehen war einfach nicht möglich. Louis' Hauptziel in dem Chaos ist es, seine Frau Michelle wieder zu finden und zu retten. Irgendwie verliert sich dies aber, flackert auf und geht wieder. Und Macy? Macy ist die Nachbarin.
Die Glaubwürdigkeit blieb für mich stellenweise auf der Strecke. Es mag zwar sein, dass das menschliche Gehirn resettet werden kann, aber wie nach nur einigen Stunden ein Körper völlig vernarbt sein kann ist mir schleierhaft. Die Sprachwahl des Autors ist passend primitiv, provokant und vulgär. Kurze Sätze, kurze Absätze. Einerseits wohl zum Schocken, andererseits zum Verdeutlichen der Situation. Einzig, als nach einer Erklärung für die Vorkommnisse gesucht wird, flackert das Talent des Schriftstellers auf. Aber da mit Gewalt!
Mein Fazit
Ein sehr provokanter Thriller! Wer bluttriefende Schilderungen mag, ist hier bestens aufgehoben! Wer allerdings auf einen spannungsgeladenen Horrothriller hoffte, wird nicht ganz auf seine Kosten kommen.