Mira Grant Newsflesh-Trilogy 1
Feed. Viruszone
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»Feed. Viruszone« (Newsflesh-Trilogy 1) von Mira Grant
Amerika in einer nicht allzu fernen Zukunft: Etwa 25 Jahre nach dem Erwachen im Jahr 2014 haben die Blogger Shaun und Georgia Mason ihren beruflichen Durchbruch. Senator Peter Ryman will als Kandidat der Republikaner bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten. Er ist der einzige, der Blogger in seinen Tross bei den Wahlkampftouren aufnimmt und er nimmt auch nur ein Blogger-Team mit, der Rest sind traditionelle Journalisten. Seine Wahl fällt auf Shaun und Georgia, die mit ihrer Kollegin Buffy in seiner Begleitung durchs Land reisen dürfen.
Aufgrund dieses großen Erfolgs können sie endlich von einer großen Blogger-Plattform auf ihre eigene Seite umzuziehen, die sie "Nach dem jüngsten Tag" nennen. Besonders für Georgia, die Newsie des Teams, ist das die Gelegenheit ihres Lebens. Buffy als Fiktive und Shaun als Irwin profitieren nicht so sehr und sind daher von der bevorstehenden Rundreise nicht so angetan wie Georgia. Buffy trägt neben ihren Liebesgeschichten, die sie für die Seite schreibt, vor allem durch ihre Arbeit als Technikerin zum Erfolg des Teams bei, sie ist generell von Feldeinsätzen nicht allzu begeistert und hält sich lieber in einer Hochsicherheitszone auf. Shaun erwartet sich gähnende Langeweile - als Irwin sucht er ständig die Gefahr und eine Wahlkampftour mit mehreren Dutzend Sicherheitsleuten reizt ihn daher nicht gerade.
Doch es kommt sowieso alles anders: die Entourage des Senators gerät in einen Zombie-Angriff, der viele Mitarbeiter das Leben kostet. Trotz höchster Sicherheitsvorkehrungen kam die Situation völlig überraschend und konnte nicht schnell genug unter Kontrolle gebracht werden. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass dieser Angriff kein Zufall, sondern ein gezielter Anschlag war, der nicht der letzte bleiben wird.
Dieses Buch hat mich völlig überrascht - und das zum Glück im positivsten Sinn. Ich erwartete eine Zombiegeschichte nach altbewährtem 08/15-Strickmuster: Beginn der Handlung in der Gegenwart, man lernt die Protagonisten im normalen Leben kennen, dann bricht eine Seuche aus oder es werden Viren bei einem terroristischen Anschlag/einem Angriff mit Biowaffen freigesetzt, die Welt ist plötzlich voller Zombies und eine Gruppe Nicht-Infizierter kämpft ums Überleben/reist auf der Suche nach einer sicheren Kolonie anderer Nicht-Infizierter durchs Land, oder etwas ähnliches.
Aber ich bekam etwas völlig anderes und um Klassen besseres. Die Autorin packt ihre Geschichte von einer ganz anderen Seite an: Das Erwachen, also der Zeitpunkt, ab dem die Toten nicht mehr tot blieben, liegt bereits 25 Jahre zurück. Georgia, Shaun und Buffy wurden erst danach geboren. Sie kennen keine Welt ohne Zombies. Die Untoten sind für sie ein Element ihrer Welt, sie gehen damit genauso um, wie wir mit den unschönen Dingen unserer Epoche (beispielsweise der Umweltverschmutzung oder der Überbevölkerung) umgehen: Sie nehmen es als gegeben hin, weil sie an den Umständen ohnehin nichts ändern können oder sie ignorieren das Problem von vornherein.
Eigentlich ist das Buch also eher eine Mischung aus Polit- und Biothriller, in dem zufällig auch Zombies eine Rolle spielen, was mir unheimlich gut gefallen hat. Wenn man sich von einem Zombieroman allerdings hauptsächlich Splatter- und Gemetzelszenen erhofft, wird man von diesem Buch wahrscheinlich eher enttäuscht sein, weil man mit völlig anderen Erwartungen an die Lektüre gegangen ist. Trotzdem bekommt man hier eine gute Geschichte und einen durchaus vorstellbaren Weltentwurf geboten - es lohnt sich wirklich, sich darauf einzulassen.
Vom Ausgangspunkt der Autorin her stellt sich die interessante Frage, wohin unsere Welt sich ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen der Zombies auf der Bildfläche wohl entwickelt hätte. Und die überraschende Antwort von Mira Grant ist, dass sich die Welt zwar einerseits von Grund auf verändert hat, andererseits aber auch nicht so grundsätzlich anders wäre, wie die Welt, die wir kennen. Es gibt keine Handvoll Überlebender, die sich in einer Kolonie als Selbstversorger durchschlagen. Die Menschen leben nach wie vor in Großstädten, die Sicherheitsvorkehrungen sind zwar drastisch verschärft worden, um Infizierte so schnell wie möglich zu erkennen und von den Nicht-Infizierten fernzuhalten. Die Welt ist in nummerierte Zonen eingeteilt, je höher die Nummer, desto höher die Sicherheit. Demnach sind Gegenden, die in Zone 1 eingeteilt wurden, fest in Zombie-Hand.
Andererseits läuft das Leben aber auch erschreckend normal. Die Leute leben in ihren Häusern, sie gehen zur Schule, zur Uni, haben einen Beruf und setzen Kinder in diese erschreckende Welt. Sie beschäftigen sich mit ihren privaten, kleinen Sorgen, mit ihrer Karriere, mit ihrer Familie, dem Weltgeschehen und sogar noch mit Politik.
Die Hintergründe, wie es zum Erwachen kam, werden für den Leser erst später und nach und nach aufgedeckt. So fällt es einem auch leichter, die Gegebenheiten so zu akzeptieren, wie es die Protagonisten des Buches tun, der Einstieg in diese extreme Zukunftsvision fiel mir erstaunlich leicht.
Georgia, Shaun und Buffy sind interessante und völlig gegensätzlich Charaktere, ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihre Leidenschaft für das Bloggen. Und in diesem Amerika der Zukunft sind Blogger nicht mehr Menschen, die ihre (für die meisten potentiellen Leser völlig uninteressanten) Erlebnisse und Gedanken ins WWW hinausposaunen, nein, Blogger sind ernstzunehmende Journalisten.
Daher ist Blogger auch nicht gleich Blogger. Georgia ist die Newsie des Teams, sie lebt für die Nachrichten, die nackten, ungeschönten Tatsachen. Shaun ist Irwin , er ist viel im Feld, also außerhalb der sicheren Zonen unterwegs und sucht die Tuchfühlung mit den Zombies, um seinen Fans spektakuläre Videos und Berichte liefern zu können. Buffy ist dagegen eine Fiktive und schreibt beliebte Geschichten, die es den Menschen ermöglichen, für kurze Zeit in eine heile Welt zu flüchten.
Gegen Ende des Buches nimmt die Handlung eine extreme Wende, auf die ich natürlich nicht näher eingehen kann, ohne zu spoilern. Diese Wende traf mich absolut unerwartet, aber gerade dadurch hebt sich Feed - Viruszone meiner Meinung nach so völlig von anderen Büchern ab, und daher war und bin ich davon begeistert, obwohl es mich zuerst wie ein Kinnhaken getroffen hat. Ich denke, es gibt viele Leser, bei denen dieser Dreh in der Handlung das genaue Gegenteil auslöst, und die das Buch danach am liebsten in die Ecke werfen würden. Zu welcher Kategorie man selbst gehört, muss leider jeder für sich selber rausfinden...
Für mich war Feed -Viruszone definitiv ein Überraschungshit und das Buch ist in der Liste meiner persönlichen Highlights aus dem Jahr 2012 unter den Top 3 gelandet - was bei über 60 gelesenen Büchern eine durchaus überzeugende Platzierung ist.
Von meiner Seite daher eine ganz klare Leseempfehlung, und eigentlich ist es auch ein Must-Have für alle Zombiefans, einfach weil es so erfrischend anders ist.