Fortune, Dion
Die Seepriesterin
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»Die Seepriesterin« von Fortune, Dion
Dion Fortune, mit bürgerlichem Namen Violet Mary Firth ist dem Esoterik Freund ein Begriff. Sie verfasste wegweisende Titel, schrieb aber auch unterhaltsame Romane, die auf entsprechendem Gedankegut basierten. Vorliegender Roman wurde erstmals in den 30er Jahren publiziert. Zunächst fand die Autorin keinen Verlag, der das Werk angesichts der Thematik einer Naturreligion und der enthaltenen erotischen Anspielungen veröffentlich hätte, so dass sie den Titel selbst herausgegeben hat. Seitdem wird der Roman laufend neu aufgelegt.
Oberflächlich betrachtet handelt es sich um eine faszinierende Geschichte eines nicht unbegüterten Immobilienmaklers, der aus seiner festgefügten Welt ausbricht und spirituelle Erleuchtung, später auch sein persönliches Lebensglück findet.
William Maxwell ist ein einsamer, von der Mutter und seiner dominierenden Schwester beherrschter Junggeselle mit Asthma. Als er eines Tages, in seinen Dreissigern Vivien le Fay Morgan kennen lernt ändert sich sein Leben grundlegend. Die rätselhafte, bezaubernde Frau scheint, wie er selbst, eine besondere Beziehung zu dem Mond und den alten Kräften der Natur zu haben. Sie kommen einander näher, Visionen zeigen Wilfried, dass es sich bei Morgan um die Reinkarnation einer Seepriesterin des untergegangenen Atlantis handelt. Gemeinsam beschwören sie, in einem einsamen Fort an der Küste, ein uraltes Ritual, das der Isis gewidmet ist. Ein Ritual, das den Tod und die Wiedergeburt des Opfers bedingt.
Mit leichter Hand zeichnet die Autorin uns eine Geschichte, die mich zumindest insbesondere für ihren Hauptdarsteller eingenommen hat. Wir leiden mit Wilfried, unserem Protagonisten mit. Zunächst muss er sich aus seinen lebenslänglichen Gewohnheiten lösen, sich emanzipieren und zu sich selbst finden. Während dieses Prozesses lernt er endlich eine Frau kennen, die ihn sowohl intellektuell als auch emotional anspricht, ja bannt. Und dann erfährt er von seiner Angebeteten, dass diese ihm zwar freundschaftlich sehr zugetan ist, auf ihn angewiesen ist, aber eine sexuelle Beziehung, eine Hochzeit entschieden ablehnt. Statt nun aber in Selbstmitleid zu versinken nimmt er die Chance an und wächst an seiner Aufgabe, die ihm zum Schicksal wird. Auf dem Weg erkennt er, dass seine Visionen von der Vergangenheit keine Hirngespinste sind, dass lange vor dem Christentum Naturreligionen existiert haben, deren Wissen immens und deren Lebensphilosophie überzeugend sind. Wie schon gesagt, ich litt mit Wilfried mit, ich verfolgte seine Entwicklung mit bangem Herzen, ich trauerte mit ihm und wurde schlussendlich sogar ein wenig versöhnt. Wohltuend fiel mir auf, dass die esoterischen Einsprengsel unauffällig blieben, die Autorin ihre Botschaft quasi zwischen den Zeilen mitteilte, ohne uns missionieren zu wollen. Neben der leichten Erzählweise der Autorin vermochte auch die anheimelnde Beschreibung des England vor dem ersten Weltkrieg mich zu überzeugen. Was bleibt ist ein Buch, das mich ob seiner beiden starken Gestalten - die anderen Personen bleiben blass, ja rudimentär – und der Entwicklung die ihre Beziehung zueinander nahm faszinierte.