Naja, ehrlich gesagt habe ich Dugan falsch zitiert, es ging um Lyrik, die noch höher verdichtet ist als Prosaliteratur. Hier ein Teil der Stelle.
Hyperdrive Dugan Kap.19 hat geschrieben:(Dugan spricht:) "Sie müssen nur genau hinsehen. Es ist alles drin. Schauen Sie sich die Bedeutung des Namens Raijaw an. Es ist verdichtet. Wie bei Lyrik. Mögen Sie Lyrik?"
Seltsame Wendung, dachte Walser. Sehen, wohin das führt. "Man sagt, dass Lyrik immer Recht hat", improvisierte er, "sie kann nicht lügen."
Hexodus hat geschrieben:Ich kann da leider nicht mehr mitreden, habe doch nur zwei Ebooks gelesen
Ganz großer Fehler, Dir entgeht damit nicht nur der großartige Showdown, sondern auch Baijaku, Walser, Dugan, Giebra.
Ich mag die Kronos-Episode auch nicht sonderlich. Jetzt, wo ich den Rest verstehe, verstehe ich, warum sie notwendig ist. Aber wenn Du schon Kronos hinter Dich gebracht hast, dann ausgerechnet auf das grandiose Baijaku verzichten? Und auf den großartigen Showdown? Die Ernte, die Dir nach Kronos zusteht?
Hexodus hat geschrieben:Ein Lexikon oder eine Formelsammlung wäre verdichtet, die Informationen in der Unterhaltungsliteratur sind hingegen
mit Füllmaterial gestreckt.
Ja und Nein. Wörter sind vieldeutig, bereits ein Wort kann mehrere Bedeutungen transportieren, mehrere Stimmungen erzeugen, mehrere Bilder im Kopf entstehen lassen. Reine Unterhaltungsliteratur im Sinne von Trivialliteratur enthält nur die vordergründige Bedeutung und diese tatsächlich mit Füllmaterial gestreckt. Unterhaltende Literatur wie Horus sie schreibt, enthält Schichtungen, multiple Bedeutungen je nachdem aus welchem Blickwinkel man gerade schaut. Lyrik verdichtet noch stärker. Kap. 19 ist in dieser Hinsicht sehr stark verdichtet.
Aber um einfach mal ein Beispiel zu nennen und damit einen Zipfel aufzudecken von dem was ich meine und ein Beispiel für Verdichtung zu bringen, wie Horus sie gerne macht:
Hyperdrive 1. Verhör-Szene Walser/Dugan Kap. 17 hat geschrieben:Walser sah, wie Dugan kurz und heftig in seinem Mundinnern saugte. Spuckte. Es traf Walser zwischen Nasenwurzel und Auge, bevor er zu Seite zucken konnte, lief ihm warm über die Wange. Er wischte danach und seine Finger waren rot.
Das kann man so stehen lassen, wie es ist. Klar, das funktioniert. Dugan spuckt halt Walser ins Gesicht. Und auch noch Blut, igitt.
Das kann man aber auch so sehen:
Dugan spuckt Walser genau zentral an: Dugan sieht in diesem Moment Walser als das, was er am Meisten an sich selbst hasst, er sieht in Dugan seine eigene Vergangenheit als UON-Soldat.
In der Spucke ist Dugans Blut: Dugan und Walser sind sozusagen aus dem gleichen Holz geschnitzt, sie haben das gleiche Blut, sind sich sehr ähnlich, quasi seelenverwandt. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort hätte diese Szene sozusagen mit beiden Personen genau andersherum stattfinden können. Oder zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort könnten diese beiden dickste Freunde sein, Blutsbrüder.
Hier und jetzt aber sind sie die größten Feinde.
So aus dem Kontext gerissen mag das verwegen klingen, aber die Szene in Kap. 19 bestätigt das obige Bild, führt es weiter und stellt alles auf den Kopf. Du stehst nur noch staunend davor und denkst, das kann einfach nicht wahr sein. Und dann liesst Du Kap. 20 und siehst genau das, was Du gerade erlebt hast, erneut gespiegelt. Einfach irre...
Kap. 19 bezieht den Leser ganz stark in die Handlung mit ein. Wenn er will! Es gibt eine andere Stelle in Hyperdrive mit einem interaktiven Buch, ein Buch, dass den Leser das sehen lässt, was er sehen möchte. Auch das mal wieder ein kleiner Fingerzeig von Horus, wie man hier lesen kann, wenn man möchte. Vordergründig eine hübsche technische Spielerei, hintergründig das Buch, dass man mit Hyperdrive gerade in Händen hält. Je nachdem wie weit Du Dich auf das Buch einlässt, siehst Du was ganz anderes. Und hey, wer hätte nicht gerne so'n cooles interaktives Buch?
Sehr sehr cool...
Oder um auf ein Beispiel aus Ninragon zurückzukommen, dass Du selber mal angeführt hast, weil es Dir so gut gefallen hat. Die Stelle mit den Düften. Lies die Stelle erneut und stell Dir vor, die Mutter steht für Literatur. Kap. 19 hier finde ich zwar viel eindrucksvoller, aber auch dort werden Dir die Augen aufgehen. Zumal die Stelle wunderschön geschrieben ist.
Und das Schöne: Auch ohne den richtigen Blickwinkel zu haben, erspürt man, dass sich mehr hinter den Worten verbirgt. Wirken die Worte einfach soviel runder, bedeutender, klangvoller. Es stimmt einfach in sich und flüstert einem Geheimnisse ins Ohr. Die man komplett ignorieren kann, einfach weil es vordergründig spannend ist und man wissen möchte, wie es weitergeht. Hyperdrive schwafelt nie bedeutungsschwanger daher, man kann die Schichtung komplett ignorieren, so wie ich es bisher getan habe:
Bisher hielt ich Hyperdrive für ein vordergründiges, spannendes Abenteuer. Eine Leserunde zu Hyperdrive? Hmm, wird schwer, worüber reden? Die Handlung ist ja offensichtlich, da braucht man nicht drüber zu diskutieren.
Ja, von wegen. Da steckt sicher nicht weniger drin als in Ninragon. Und andersherum, durch Hyperdrive sehe ich jetzt wieder lauter neue Schichten in Ninragon. Und jetzt lese ich das Ganze erneut und lausche auf die Geheimnisse. Und bekomme plötzlich eine ganz andere Geschichte, eine äußerst spannende noch dazu. Sehr sehr cool.
BTW: Als ich Kap. 19 verstanden habe, kam ich auf die interessante Idee, wie wohl Hyperdrive aus Walsers Perspektive geschrieben aussehen könnte. Dann habe ich nochmal 'ne Runde weitergedacht und festgestellt, dass Horus diese Idee vielleicht auch ganz reizvoll fand.
Hast Du nicht alle Bände von Hyperdrive oder hast Du sie nur noch nicht gelesen?