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Jim C. Hines

Rotkäppchens Rache

  • Autor:Jim C. Hines
  • Titel: Rotkäppchens Rache
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Bastei Lübbe
  • Datum:24 Juni 2011
  • Preis:8,99 EUR

 
»Rotkäppchens Rache« von Jim C. Hines


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4)

 
 
Eine Meuchelmörderin schleicht sich auf den königlichen Hof von Lorindar. Wird anfangs noch vermutet, ihr Auftrag hätte darin bestanden Königin Beatrice zu ermorden, stellt sich schon bald heraus, dass die Attentäterin, bei der es sich um keine geringere als Rotkäppchen, aka Roudette, aka Die Lady mit der roten Kapuze handelt, es in Wirklichkeit auf Talia Malak-el-Dahshat (Dornröschen) abgesehen hat. Ihre Auftraggeberin entpuppt sich als Lakhim, die neue Königin von Arathea, die es einfach nicht überwinden kann, dass Talia einst ihren Sohn (und Talias Ehemann) ermordet hat und daher immer noch auf Rache sinnt. Außerdem befürchtet sie, dass Talia ihr den Titel als Königin von Arathea streitig machen könnte, da die Umstände unter denen Lakhim Königin geworden ist, doch recht … zweifelhaft waren.

Mit Hilfe ihrer beiden Freundinnen Schnee und Danielle und der gefangen genommenen Roudette, macht sich Talia auf nach Arathea und kommt einer gigantischen Verschwörung auf die Spur. Es droht ein neuer Krieg zwischen Menschen und Elfen auszubrechen, wobei die Peri Zestan-e-Jheg einen perfiden Plan verfolgt um einmal Königin Lakhim zu beseitigen und Talia auf Umwegen wieder an die Macht im Königreich zu bringen. Das klingt ja erst mal ganz gut und im Sinne von Talia (die ja eigentlich immer noch die rechtmäßige Königen von Arathea ist), jedoch ist der Plan von Zestan-e-Jheg derart, dass Talia dabei lediglich als Strohmann fungiert, während Zestan-e-Jheg die wahre Kontrolle über das Königreich Arathea ausüben würde. Hilfe bekommt Zestan-e-Jheg von der Wilden Jagd, einer Gruppe schrecklicher und mordlüsterner Jäger, die alles und jeden der sich ihnen in den Weg stellt tötet - wie einst auch die Eltern von Roudette. Die Wilde Jagd soll das Chaos im Königreich hervorrufen, das nötig ist, damit Zestan-e-Jheg als Siegerin aus dem Konflikt hervorgehen kann.

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In dem mittlerweile dritten Band, Rotkäppchens Rache (im Original Red Hood`s Revenge), der sogenannten Todesengel-Reihe zeigt sich, dass die Bücher so langsam aber sicher in eine neue Richtung tendieren, weg von der Humoreske und hin zum Ernsten. Die Bücher verlieren irgendwie ihre Unschuld und werden erwachsener, blutiger und auch irgendwie komplizierter.
Das zeigt sich schon allein daran, dass Talia, immerhin eine Märchenprinzessin, nun offen ihre Homosexualität auslebt und mit ihrer neuen Partnerin Faziya (die eigentlich ihre erste wirkliche Liebe war, diese aber überhastet vor Jahren verlassen musste) nun öffentlich rumknutscht und intim wird. Ferner muss Talia sich auch mit ihren beiden Kindern, die sie selbst zu Halbwaisen gemacht hat, auseinandersetzen und Stellung beziehen. Mit dem kindlichen Märchen von den Brüdern Grimm hat das nicht mehr ganz so viel zu schaffen – und irgendwie ist das auch gut so.

Auch aus dem kleinen Rotkäppchen, das süß und unschuldig ihrer lieben, alten und kranken Oma etwas zu essen bringen wollte, ist mehr geworden – nämlich etwas bedrohliches und animalisches. Mit Hilfe eines Umhangs, der außen Rot und innen mit dichtem Wolfsfell ausstaffiert ist, kann sie sich in nichts anderes als einen Werwolf verwandeln. Ihre Knochen strecken und verformen sich und eine animalische Präsenz nimmt von ihr Besitz. Sie wird zu einer blutrünstigen Killermaschine die nur noch schwer zu stoppen ist. All das verträgt sich natürlich nicht mit den kindlichen Vorstellungen der Figur von anno dazumal und es spricht meines Erachtens sehr für Jim C. Hines, dass er aus den ursprünglichen Gestalten, seien es nun Dornröschen oder Rotkäppchen, mehr macht als sie waren und sie, ja, geradezu umkrempelt und ins Gegenteil verkehrt. Das steht der Geschichte gut an und bringt sie vorwärts, macht aus ihr quasi ein Märchen für Volljährige – was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass der Humor auf der Strecke bleibt. Die Eingangsgeschichte rund um Rumpelstilzchen entbehrt, trotz des tragischen Themas, nicht einer gewissen Komik. Allerdings braucht Hines auch nicht lange um sich wieder ernsteren Dingen zu widmen.

Die Geschichte an sich ist nicht gerade einfach zu lesen, zumindest war es das für mich nicht. Sie ist relativ kompliziert und nimmt im Verlauf viele neue Wendungen, weil nicht jeder das ist was er zu sein scheint. So fungiert Rotkäppchen unter anderem als Doppelagentin, über Zestan-e-Jheg’s wahres Wesen ist man als Leser lange im Unklaren und auch ihr perfider Plan hat genug Ecken und Kanten. Hinzukommt, dass Hines jede Menge Leute mit teils unaussprechlichen Namen agieren lässt und dabei alles bunt durcheinander mischt. Man muss in der Tat am Ball bleiben und aufpassen das man nicht den Überblick verliert. Aber lieber solch eine Geschichte, als eine 08/15 ohne Konzept und Finesse.

Ich finde es immer wieder interessant wie es Hines gelingt, die klassische Märchenwelt mit etwas völlig Neuem und Fremden zu verweben und auszuschmücken. Auch die Settings selber, hier anhand von Arathea, sind nicht so, wie man sich das vielleicht mal irgendwann vorgestellt hat. Da gibt es keinen Märchenwald wo das grüne Gras wächst und gedeiht, auf glitzernden Seen Schwäne schwimmen und die gelbe Sonne vom blauen Himmel lacht. Die Heimat von Talia entpuppt sich als öde und vertrocknete Wüstenlandschaft wo die Menschen teils in furchtbarer Armut leben, immer in Angst die Wilde Jagd könnte sie alle auslöschen. Das ganze erinnert an die Wüstenvölker der Sahara, an Araber, die sich auf ihren Kamelen durch die sengenden Sonne winden und von Oase zu Oase ziehen. Märchenweltgefühle kommen da erst gar nicht auf. Zum Glück, sonst würde ich, bei diesem Band, die Geschichte für mich als beendet ansehen oder doch lieber gleich zum Original greifen.

Eine weitere Stärke des Buches sind die Protagonistinnen selbst. Die wechselnde Erzählebene tut ihr übriges, dass man alle vier Frauen besser kennen und verstehen lernt. Auch Roudette entpuppt sich, trotz ihres schrecklichen Handwerks, als nicht die Böse, als die man sie anfangs einordnen konnte. Sie ist nicht ohne Grund zu dem geworden was sie ist. Das macht sie weder besser noch schlechter als die drei Freundinnen, sondern einfach nur anders. Überhaupt haben alle, bis auf Danielle, die einfach nur gut ist, alle ihre dunklen Seiten. Die eine ist eine Gattenmörderin, die andere hat ihre Stiefmutter umgebracht, beide sinnen auf ihre Art nach Rache. Gerade diese Ambivalenz, auf der einen Seite stehen sie für Gerechtigkeit, Freundschaft und das Gute schlechthin, auf der anderen Seite sind nichts anderes als aus ihrer Heimat vertriebene Mörderinnen, macht sowohl Roudette, wie auch Talia und Schnee, für mich so glaubhaft (wenn man das von Märchenprinzessinnen und –figuren überhaupt behaupten kann). Alle machen eine Entwicklung durch und bleiben nicht beim anfänglichen Status Quo stehen, das ist mehr, als man von anderen Hauptfiguren in andern Büchern behaupten kann.

Mir jedenfalls gefällt die Reihe um die drei Freundinnen ausnehmend gut. Routiniert geschrieben, flott zu lesen und somit eine kurzweilige Unterhaltung. Daumen hoch.
 


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