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Horus W. Odenthal

Homunkulus

  • Autor:Horus W. Odenthal
  • Titel: Homunkulus
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:
  • Datum:19 Dezember 2013
  • Preis:4.99 EUR

 
»Homunkulus« von Horus W. Odenthal


Besprochen von:
 
minkey
Deine Wertung:
(5)

 
 
Horus W. Odenthal ist in Fantasy-Fankreisen durch die Nominierung seiner Ninragon-Trilogie in den Sparten bestes Debüt und beste Serie für den Deutschen Phantasik Preis bekannt geworden. Die Trilogie verbindet epische Fantasy und Sword & Sorcery in einer anspruchsvollen literarischen Sprache mit einem sehr hintergründigen Plot. Ninragon ist dabei einer Fantasy-Richtung zuzuordnen, die gerne als grimdark bezeichnet wird und Fantasy als realistischen Spiegel unserer Welt versteht (prominente Vertreter sind z.B. Joe Abercrombie, George R.R. Martin, Steven Erikson, Scott Lynch).

Homunkulus ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Ninragon-Trilogie ohne direkt Bezug zu nehmen oder Charaktere der Trilogie fortzuführen. Der Roman kann aber auch als Einführungsband in die Ninragon-Welt gelesen werden und ist leichter zugänglich als die komplexe Trilogie.

Zum Inhalt:
Danak ist eine Ex-Söldnerin, die angewidert der Armee den Rücken gekehrt hat, um voller Idealismus als Milizionärin der Stadt Rhun (einer Art Stadtpolizei), den kleinen Bürger vor der Willkür des täglichen Lebens zu schützen. Rückhalt für diesen stressigen Job findet sie bei ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern.
Rhun gehörte bisher zum Idirischen Reich, einer Republik; bereits seit 3 Jahren ist die Stadt aber besetzt von Kinphauren, einer nichtmenschlichen Rasse.
Homunkulus beginnt mitten in einer Actionszene bei der Danak und ihr Kader, aufgrund von Informationen ihres neuen, von den Kinphauren eingesetzten Vorgesetzten, einen Waffenhandel unterbinden sollen. Es stellt sich heraus, dass u.a. ein Homunkulus, eine durch eine magische Wissenschaft erschaffene Kampfmaschine, die Straßen von Rhun bedroht. Danak und ihr Kader bekommen den Auftrag den Homunkulus zu finden und zu bergen.
Eine weitere Bedrohung stellen verunreinigte Drogen dar, die Süchtige als vegetierende, geistlose Wesen hinterlassen. Bezüglich dieser Drogen ermittelt Danak mit ihrem Kader parallel auf eigene Faust, was sich durch einen dem Kader zugeteilten Neuling, einem bei den Kinphauren aufgewachsenen Menschen, als schwierig herausstellt.

Bei den Ermittlungen gerät Danak zunehmend mit ihrem Hauptmann, ihrem Kader und ihrem eigenen Gewissen in Konflikt, kämpft verbissen und mit extremen Mitteln für die Durchsetzung ihrer idealistischen Ziele.

Zum Stil
Odenthal erzählt diesmal in einer für ihn direkteren und einfacheren Sprache, die stimmig zum Thema und den Personen passt. In eindringlichen und gut vorstellbaren, meist temporeichen Szenen, schildert er, wie Danak sich immer mehr zwischen ihren eigenen Zielen und denen ihres Hauptmanns verstrickt. Handlung und Motivationen der Hauptpersonen, insbesondere von Danak, werden dabei lebensnah und gut nachvollziehbar geschildert.

Immer noch eher unüblich bei Fantasy-Literatur, wird dabei nicht auf eine künstliche Mittelalter-Sprache gewechselt, sondern eine zeitgemäße Sprache verwendet, die sich der jeweiligen sozialen Schicht anpasst. Odenthal erreicht so trotz der archaischen Kulisse und der fremdartigen Welt eine sehr unmittelbare, aktuelle Stimmung, wie aus unserem Alltag gegriffen. Im Einklang mit dem Plot verwendet er dabei gekonnt Motive des film noir:

Ihre Stiefeltritte knirschten auf dem Steingebröckel des Bodens und hallten hohl im Tunnel des Gewölbegangs. Wasser und Staub rieselten aus dem Gemäuer auf sie herab. Danak fuhr sich durch ihren Schopf, fühlte die Strähnen struppig und klamm zwischen den Fingern und strich sie nach hinten. Zügig, vor allem zügig hier durch, um den Zugriff rechtzeitig hinzukriegen.

Assoziationen zu unserer aktuellen Welt treten in den entsprechenden Schilderungen heraus und spannen einen Bogen zur mittelalterlichen Fantasywelt. Hier ein besonders deutliches Beispiel, meist sind sie sehr viel unscheinbarer:

Aus dem Kutschenfenster heraus versuchte sie, einen Blick auf die Außenfront von Kylar Banátrass Amtszimmer zu erhaschen, dort in den mittleren Stockwerken des höchsten Turmes. Auffällig genug war es ja mit dem Panoramafenster, das ihr neuer Hauptmann dort hatte einbauen lassen. Sie sah kurz die bleiche Wolkendecke gespiegelt auf dem von außen undurchsichtigen Reflex-Diaphanumglas, ein Streifen von Himmel in dem alten Mauerwerk, der sich über die ganze Ecke des Turmes hinzog. Teurer Spaß. Wahrscheinlich fühlten sich die Bürger, die das alles hatten bezahlen müssen, dadurch gleich viel beschützter und sicherer.

Die Szenen sind sehr bildhaft dargestellt, ermöglichen eine gute Vorstellung der Handlung:

Choraik griff nur stumm in das Innere der Roscha und reichte ihr einen Fechtspeer heraus. Die lange Klinge fing beim Weiterreichen von Hand zu Hand in der Drehung einen Splitter Licht auf, der kalt die Schneide hinabfunkelte. Sie nahm die Waffe in festem Griff, wog sie. Gut ausbalanciert. Fühlte sich gut an in der Hand.

Gesamteindruck:
Homunkulus erzählt einen temporeichen, actiongeladenen, sehr unterhaltsamen hardboiled Detective-Thriller in einem Fantasy-Setting. Odenthal vollbringt das Kunststück, diese beiden Elemente ohne Brüche verschmelzen zu lassen, so dass man in keinem Moment einen Zweifel daran hat, einen echten Fantasy-Roman zu lesen, wenn auch mit für dieses Genre eher ungewöhnlichen Handlungsmotiven. Lebendig und authentisch wird dabei die Entwicklung von Danak geschildert, die in einen immer stärkeren Konflikt zwischen ihren Zielen und dem, was sie bei der Verfolgung ihrer Ziele tatsächlich bewirkt, gerät.
Homunkulus wird im Klappentext als eine Krimi-Geschichte in einer Fantasywelt präsentiert. Dabei sollte man nicht ein klassisches Whodunnit erwarten, denn Odenthal bietet, wie in all seinen Büchern, die interaktive Variante der üblichen Blaupause an. So ist es nicht zuletzt der Leser, der sich auf der Suche nach dem Homunkulus macht und einige davon finden wird. Eben nicht nur im Buch.
Es ist selten, dass in einem Trivialgenre, wie manche es der Fantasy nachsagen, dem Leser mehr als nur Unterhaltung geboten wird. Hier ist der Mix aus Anspruch und Spannung, aber auch aus archaischer Fantasywelt und film noir außerordentlich gelungen. Eine mitreißende Geschichte mit tollen Charakteren und Tiefgang, die dem Genre neue Facetten abgewinnt und damit nicht zuletzt den altgedienten Fantasy-Fan begeistern wird.